Glückliche Erbsen

Autismus: Und wie kommunizierst Du?

16.06.2017
Autismus

Laut Wikipedia ist Autismus eine „tiefgreifende Entwicklungsstörung“, die in der Regel noch vor dem dritten Lebensjahr beginnt und sich in drei Bereichen zeigt: Erstens haben Autisten Probleme im sozialen Umgang, weisen zweitens Auffälligkeiten bei der sprachlichen und nonverbalen Kommunikation vor und haben drittens eingeschränkte, stereotype und sich wiederholende Verhaltensweisen und Interessen.
Hmmm…?! Ich hab auch hin und wieder Schwierigkeiten im sozialen Umgang – insbesondere wenn mir mein Gegenüber „komisch kommt“. Und wie oft habe ich Probleme, mich sprachlich auszudrücken – nicht nur weil mir das Schreiben leicht(er) von der Hand geht? Wie oft fehlen mir die Worte und wie dankbar bin ich dem Erbsenprinz, dass er das Wort „Ding“ zu 99 Prozent richtig interpretiert – selbst wenn es drei Mal in einem Satz vorkommt! Und dass in mir ein Monk steckt, bei dem viele Dinge jedes Mal gleich ablaufen müssen, weiß jeder, der mich besser kennt.

Bin ich also Autist? Nein, aber ich bin möglicherweise ein bisschen autistisch veranlagt – ich hoffe es zumindest. Das ist kein provokanter Scherz. Das ist mein Ernst, denn durch Susanna Mittermaier durfte ich erfahren, was für unglaubliche Fähigkeiten Autisten besitzen. Fähigkeiten, die viele von uns Normalos nicht nachvollziehen können, weil die Sichtweise so starr und weitverbreitet ist, dass Autismus eben eine „tiefgreifende Entwicklungsstörung“ ist.
Was aber, wenn nichts falsch wäre an diesen Menschen? Was, wenn wir anerkennen würden, dass Autisten keinen Mangel an Kommunikation haben, sondern im Gegenteil ständig sprechen? Sie reden zwar nicht in Sätzen wie wir es gewohnt sind. Und da er Körper eines Autisten oft nicht das macht, was er will sondern lieber Faxen, ist es so gut wie unmöglich, irgendetwas im Hinblick auf die Körpersprache zu lesen. Die Frage ist allerdings: Wie wichtig sind Worte und Körpersprache überhaupt? Für uns Normalos sehr, denn „für viele von uns sind es nach wie vor die einzigen anerkannten Kommunikationsmittel“, so Susanna, die als Psychologin und Begründerin der Pragmatischen Psychologie sehr oft mit Autisten arbeitet. „Autisten kommunizieren aber telepathisch. Untereinander zum Beispiel sprechen sie vollkommen normal in ganzen Sätzen, wobei sie einander Worte und Bilder in den Kopf legen. Das funktioniert auch mit uns Normalos – vorausgesetzt wir senken alle Barrieren und Mauern, die wir um uns aufgebaut haben.“

Autist

„Barrieren runter“ macht generell Sinn. Das Problem an diesen Mauern ist nämlich, dass wir uns dadurch nicht nur vor dem vermeintlich „Bösen“ abschotten, sondern vor allem. Wir sind andauernd in einer Verteidigungshaltung, in einem Kampfmodus. Wie anstrengend ist das denn? Wäre es nicht leichter, verletzlich zu sein? Wenn wir alle Barrieren dem geistigen Erdboden gleich machen und vollkommen verletzlich sind, kann alles zu uns kommen. Und da wir unser Leben bestimmen, können wir auch entscheiden, was wir tatsächlich empfangen.
„Kommunikation ohne Barrieren ist federleicht, weil man auf das hört, was sich nach nichts anhört“, sagt Susanna. Um diese Leichtigkeit zu erlangen, müssen wir außerdem aufhören, alles auf die Interpretationsschale zu legen! Empfange einfach, was der andere Dir sagt. Mach seine Worte nicht signifikant, sondern lies zwischen den Zeilen – auch zwischen den unausgesprochenen!

Interpretationsfreie Kommunikation ohne Barrieren funktioniert übrigens nicht nur für und mit Autisten. Überleg mal: Wie oft hast Du schon an einen lieben Menschen gedacht, der Dich im nächsten Moment angerufen, Dir ein Mail geschrieben oder Dich spontan besucht hat? Mütter verstehen ihre Babys ebenso ohne Worte wie Frauchen und Herrchen ihre Tiere. Und als ich der viel beschäftigen Susanna am Montag von meiner Idee für diesen Blogbeitrag geschrieben habe, kam prompt zurück: „Kann jetzt – danach wird’s schwierig.“ Ja, auch wir haben uns wohl schon vor dem Mail miteinander kurzgeschlossen.

Und so wie Susanna und wahrscheinlich viele Autisten feier ich nun jedes Jahr am 18. Juni den Autistic Pride Day. Ein Tag, der dem Wunsch vieler Menschen mit Autismus nach gesellschaftlicher Akzeptanz ihrer Fähigkeiten Ausdruck verleihen soll. Ich bin dabei!

Autistic Pride Day

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