Auf der einen Seite heißt es, man soll sich auch Auszeiten gönnen – schließlich stehen wir ständig unter Strom, sind Tag und Nacht erreichbar, haben prall gefüllte Kalender und jagen der Zeit hinterher. Auf der anderen Seite hat der Müßiggang so was von einem schlechten Ruf und ist „aller Laster Anfang“. Einerseits haben wir nie Zeit. Andererseits kann es uns nicht schnell genug gehen. Stress ist fast schon eine Auszeichnung, faul sein hat hingegen so gar nichts Heroisches an sich.
Woher kommt das denn? Warum rennen wir nur so gehetzt durchs Leben? Und wieso fällt es uns derart schwer, einfach mal auf der faulen Haut zu liegen?
Die Wurzel allen Übels? Eines vorweg: Antworten auf diese Fragen hab ich keine. Vielmehr frag ich mich: Brauchen wir überhaupt Antworten? Sollen wir nicht einfach unsere Einstellung ändern? Sollen wir nicht lieber gleich damit anfangen, hin und wieder nichts zu tun und faul zu sein? Und ich denke da nicht ans Wellness-Wochenende – das ist eh schon gesellschaftsfähig geworden. Der Müßiggang in seinem eigentlichen Sinn jedoch wird eher mit Faulheit in Verbindung gebracht. Bei den Christen wird er sogar zu den sieben Hauptlastern, mehr noch zu den Wurzeln der Todsünden (!) gezählt. Auch die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hält nicht unbedingt viel vom Müßiggang. Zusammen mit körperlicher Untätigkeit gilt er sogar als „Risikofaktor“ für einen hohen Blutdruck und schadet somit dem Herzen – genauso wie zu kurzer und zu wenig Schlaf und zu viel körperliche sowie geistige Arbeit. All diese Dinge können den Blutkreislauf beeinträchtigen, zur Schwächung von Yin und unserer Lebensenergie Qi und letztlich eben zu einem zu hohen Blutdruck führen. Dagegen tut ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung, ausgewogener, gesunder Ernährung und innerer Ausgeglichenheit dem Herzen gut.
Ausgeglichen faul sein. Klingt wie ein Widerspruch in sich? Ja, auf den ersten Blick. Doch wie immer macht die Dosis das Gift: Positive Gefühle können uns in Bestform bringen, negative Emotionen lassen das Stresshormon Cortisol ansteigen (übrigens nicht zu verwechseln mit dem synthetisch hergestellten Cortison! Ersteres ist ein vom Körper selbst produziertes, lebensnotwendiges Hormon. Zweiteres entspricht vom Aufbau her zwar dem Cortisol, ist jedoch wesentlich potenter als das vom Organismus hergestellte. Warum ich selbst nicht viel davon halte, steht hier – und damit zurück zu den negativen Emotionen…). Ein Anstieg des körpereigenen Cortisols kann weitreichende Folgen haben: Geschädigte Gehirnzellen, abnehmende Knochendichte, Zunahme von Fettdepots und Herzrhythmusstörungen. Auch was die Bewegung angeht, lautet das Motto: Nicht zu viel und nicht zu wenig – dann nämlich kann sie wirklich die beste Medizin sein. Also lieber einen langen Spaziergang im Wald als übermäßiges Joggen oder Leistungssport bis zum Umfallen. Lieber Yoga als sich im Fitnessstudio auspowern.
Was den Müßiggang angeht, ist es wohl wieder mal eine Frage der Interpretation. Und vor allem, ob man sich das süße Nichts-tun selbst schlecht redet. Ich meine: Alles, was man mit einem schlechten Gewissen macht, kann nur schaden. Oder um es mit den Worten des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard zu sagen: „An sich ist Müßiggang durchaus nicht eine Wurzel allen Übels, sondern im Gegenteil ein geradezu göttliches Leben, solange man sich nicht langweilt.“ Im Übrigen war Kierkegaard auch Theologe und religiöser Schriftstelle – von wegen Todsünde und so…
Heute mal Faulpelz. Wenn ich mir nun so durchlese, was ich gerade geschrieben habe, muss ich freilich betonen: Ich bin keine Meisterin im nichts tun und faul sein! Nicht dass ich es mir nicht erlauben würde. Es ist vielmehr so, dass es einfach ständig irgendetwas zu tun gibt. Und ja, manchmal hab ich das Gefühl, dass der Tag zu wenig Stunden hat für all das, was ich machen möchte. Immerhin lass ich mich durch meine To-Do-Liste nicht mehr stressen. Und insbesondere an den Wochenenden gönn ich mir immer öfter meine „Freiheiten“, schließlich muss nicht jede Minute verplant sein. Außerdem übe ich mich darin, auch mal in den Tag hinein zu leben – zumindest für ein paar Stunden 😉
Und diese Woche werde ich schon heute damit anfangen, denn die Amerikaner haben den 10. August zum nationalen Faulpelz-Tag (National Lazy Day) erklärt. In diesem Sinne: Viel Spaß beim faul sein!
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