Nein, es lässt mich nicht kalt, wenn ein Kunde mit meiner Beratung unzufrieden ist. Nein, es ist mir nicht egal, wenn schlecht über mich geredet wird. Nein, es geht mir nicht sonst wo vorbei, wenn meine Texte kritisiert werden. Und nein, ich kann es nicht weglächeln, wenn ich einen Auftrag nicht bekomme. Genauso wenig kann ich selbst nach 15 Jahren Selbstständigkeit nicht wirklich damit umgehen, wenn es mal weniger zu tun gibt. Und das alles, obwohl ich meinen Kunden genau das Gegenteil sage. Verteile ich also nur gute Ratschläge, ohne sie selbst zu befolgen?
Stell Dich infrage. Ich hab mir diese Frage letzthin wieder mal ganz bewusst gestellt. Schließlich bringt es mein Job als Kommunikations- und Unternehmensberaterin mit sich, dass ich meine Kunden in unterschiedlichen Bereichen berate. Sprich: Ihnen gute Ratschläge und Tipps gebe. Und egal, ob es sich um Menschen handelt, die sich gerade selbstständig machen, um Unternehmer, die schon lange im Business sind, oder schlichtweg Menschen, wie Du und ich: Schlussendlich geht es darum, authentisch zu bleiben. Und genau deshalb ist es in meinen Augen so wichtig, dass ich mich selbst von Zeit zu Zeit infrage stelle. Dass ich nicht selbstsicher werde. Dass ich keine 08/15-Tipps gebe, die ich einfach nur runterrattere, ohne darüber nachzudenken, was ich sage.
Also nochmal: Produziere ich nur heiße Luft, wenn ich meinen Kunden sage: Es wird immer Menschen geben, die mit Deinem Produkt, Deiner Dienstleistung oder mit Dir als Mensch nichts anfangen können. Oder: Lass es nicht zu nahe an Dich heran, wenn andere schlecht über Dich reden, denn Du kannst es nicht jedem recht machen. Oder: Versuche die Zeiten zu genießen oder zumindest anderweitig zu nutzen, in denen die Auftragslage einmal nicht so rosig ist.
Sei glaubwürdig. Wenn ich diese und andere gute Ratschläge gebe, bedeutet das nicht, dass ich sie immer verfolge. Und schon gar nicht, dass ich alles so mache, wie ich es rate. Auch nicht, dass ich sowieso alles nur noch gelassen sehe. Definitiv nicht. Und das gebe ich offen und ehrlich und sogar gern zu. Mehr noch: All das, was ich eingangs erwähnt habe, sage ich auch meinen Kunden.
Denn so ist es nun mal! Klar, hab ich in all den Jahren gelernt, mit Kritik umzugehen. Doch sie schmerzt nach wie vor, bringt mich zum grübeln und nach-, vielleicht sogar zum umdenken. Natürlich dreh ich heute nicht mehr so extrem am Rad, wenn es mal weniger zu tun gib. Aber ich mach mir in den Phasen trotzdem ganz viele Gedanken, warum das so ist und wie ich das ändern kann. Und wenn es dann wieder anders läuft und ich vor lauter Arbeit nicht weiß, wo mir der Kopf steht, schwöre ich mir, dass ich die nächste ruhige Phase wirklich mal genießen werde – und tue es eh nicht. Und auch das erzähl ich meinen Kunden.
Bleib bei Dir. Es geht mir nicht darum, glaubwürdiger zu wirken, sondern es tatsächlich zu sein. Daher ist es mir auch so wichtig, mich selbst und mein Tun immer wieder mal infrage zu stellen. Und ja, oft ist eines der anfangs beschriebenen Dinge Ausgangspunkt dafür. So betrachtet, sollte ich dankbar dafür sein, da mich diese Ereignisse von Zeit zu Zeit eine Art Zwischenbilanz ziehen lassen.
Fakt ist: Ja, ich gebe gute Ratschläge, da es schlichtweg zu meinem Job gehört. Ich gebe das Wissen und die Erfahrungen, die ich selbst sammeln durfte, weiter. Und zwar nach meinem bestem Wissen und Gewissen und mit all der Ehrlichkeit, die ich für so wichtig halte.
Schlussendlich aber sind es eben „nur“ gute Ratschläge. Es ist meine Meinung, mein Input, meine Sicht der Dinge. Was mein Gegenüber daraus macht, ist ganz allein seine Sache. Oder anders gesagt: Was Du Dir aus all dem, was ich Dir sage oder was Du hier auf meinen Erbsen liest, herausholst – oder eben nicht –, ist voll und ganz Deine Entscheidung. Wie Du meine Ansichten für Dich interpretierst, bleibt Dir überlassen. Nimm sie an und tue, ändere etwas – oder beschließe für Dich, dass es eben nichts für Dich ist, dass Du nichts damit anfangen kannst. Mach draus, was Du willst – und zwar immer!
2 Kommentare
Meine liebe Erbse
seit drei Jahren genieße ich meine neue Freiheit. Ich war erfolgreich selbständig mit einem Jeansgeschäft fast 40 Jahre. Trotzdem haben ich immer wieder Phasen gehabt wo ich so an mir gezweifelt habe. Habe ich richtig eingekauft – zuviel eingekauft – was mache ich wenn keiner mehr kommt – hoffentlich funktioniert dieses oder jenes. So manche Freundin hat im Frühjahr oder Herbst gestöhnt – NEIN nicht schon wieder – Du kannst es doch. Darum muss ich lächeln nach Deinem Beitrag – lieber ab und zu zweifeln – als im Größenwahn schweben. Weiterhin alles Gute. Gabi
…und ich musste jetzt bei Deinem Kommentar breit grinsen!!!
GENAU DAS ist es nämlich, was ich auch meinen Kunden – insbesondere natürlich denjenigen, die gerade auf dem Weg in die Selbstständigkeit sind – immer wieder sage: Man muss wissen, dass man es mit einem stetig unsicheren Leben zu tun hat, wenn man sich selbstständig macht. Damit muss man lernen umzugehen – auch wenn man sich wohl nie wirklich daran gewöhnen wird. Es mag leichter werden, aber definitiv nicht einfach!
Der Zweifel ist in meinen Augen der beste Mitarbeiter, den man gerade als Selbstständiger hat. Eben weil er uns immer wieder auf den Boden der Tatsachen holt. Ganz egal, ob unsere lieben Mitmenschen stöhnen und uns dann gute Ratschläge (sic!) geben.
Love your life – YOU know, what I mean!
Alles Liebe, Iane