Vor einem Jahr hab ich darüber geschrieben, dass ich meine angespannten Bauchmuskeln endlich loslassen und meinen Bauch zulassen kann. Mir war klar, dass viele es absurd finden, wenn ich von „Bauch“ rede – das hat (fast) keiner gesagt, aber der eine oder die andere wohl gedacht. Manch eine(r) war vielleicht der Meinung, dass ich nur hören wollte, dass da gar kein Bauch zu sehen ist, dass ich eine tolle Figur habe usw. Und ja, vor Jahren hätte ich mir genau das erhofft – und am Ende des Tages hätte es nichts geändert. Doch die Zeiten der Magersucht sind vorbei und heute meine ich es so, wie ich es geschrieben habe: Da darf ein Bauch sein – egal, ob ihn andere sehen oder nicht. Und dass er sein darf, ist für mich ein großer Schritt, auf den ich sehr stolz bin.
Mein Körper und ich. Ich weiß nicht, ob man es mir noch ansieht, dass ich mit 13 aufgehört habe zu essen und im Grunde erst 20 Jahre später wieder damit angefangen habe. Ich selbst sehe es täglich und nie zugleich. Denn auch wenn ich vor bald sieben Jahren die Entscheidung getroffen habe, meinen Körper lange genug malträtiert zu haben, habe ich den Blick für ihn verloren. Die Magersucht verändert die eigene Körperwahrnehmung – und zwar nachhaltig. Heute weiß ich, damit umzugehen. Ich weiß, dass ich gesund bin, dass es mir gut geht, dass mein Körper, mein Geist und meine Seele dank Yoga gut trainiert sind. Und ich weiß, dass es so viel mehr im Leben gibt als diesen „Körperkult“. Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben. Das klappt nicht jeden Tag – und das ist auch OK.
Ich hab lang überlegt, ob ich hier auf meinen Erbsen über dieses Thema schreiben bzw. es anschneiden soll – es gäbe nämlich wesentlich mehr darüber zu sagen, als an dieser Stelle möglich ist. Bislang hab ich es ja immer nur „angedeutet“. Denn obwohl ich in gewisser Weise ein „offenes Buch“ bin, habe ich nach wie vor das Gefühl, dass ich einen Stempel aufs Hirn gedrückt bekomme, sobald ich sage, dass die Magersucht Teil meiner Lebensgeschichte ist.
Warum also jetzt? Der Gedanke kam mir wegen der positiven Rückmeldungen auf den anfangs erwähnten Beitrag übers Loslassen: Frauen, die genau wussten und nachempfinden können, was ich meine. Es hat also nicht nur mit der Magersucht zu tun, sondern ist ein „typisches Frauenthema“: Dieses sich nicht mit all dem zeigen wollen, was an uns dran ist! Und dann hat mich Marlies Herbsthofer mit ihrem Text über Selbstoptimierung auf ihrem herzerfüllenden Blog Mah-Lies darin bestärkt, dass es nun wirklich an der Zeit ist…
Wobei meine Magersucht kein Versuch war, mich selbst zu optimieren. Ich war kein dickes, aber durchaus kräftiges Kind. Also hab ich beschlossen, das zu ändern. Ich wollte nur ein paar Kilo abnehmen. Und dann hat es sich „verselbstständigt“: Ein bisschen geht noch. Und noch ein bisschen…
Man liest und hört oft, dass es bei der Magersucht um Aufmerksamkeit geht. Ging es mir darum, gesehen zu werden? Wahrscheinlich. Obwohl ich eigentlich kleiner, dünner, leiser, unsichtbarer, weniger oder womöglich sogar NICHT sein wollte. Dass ich gleichzeitig einen laut-losen Schrei nach Liebe losgelassen habe, wurde mir erst im Nachhinein bewusst.
Selbstliebe. Viele Menschen haben mich gehört. Und ich bin jedem einzelnen dafür dankbar, auch wenn ich es wohl nie gesagt habe. Am meisten Dank gebührt meinem Erbsenprinzen! Du hast immer schon die Person in mir gesehen, die ich sein kann. Du hast nicht verstanden, was in meinem Kopf abgegangen ist. Doch Du hast es auch nicht in Frage gestellt. Du hast gewartet, bis ich soweit war. Danke dafür! Danke für Dich!
Schlussendlich aber war es der Schrei nach Selbstliebe, den ICH hören musste und den mein Körper vor eben sieben Jahren so laut ausgestoßen hat, dass mir nichts anderes übrig geblieben ist, als mein Leben komplett zu ändern. Ich habe von einem Tag auf den anderen meine Ernährung umgestellt und tatsächlich angefangen zu essen. Im Nachhinein betrachtet, war das noch die einfachste Sache. Denn an der eigenen Wahrnehmung und vor allem an der Selbstliebe arbeite ich nach wie vor – und werde das wohl mein Leben lang tun. Das aber hat nichts mit der Magersucht zu tun, sondern damit, dass ich wahrhaftig angefangen habe, mich selbst zu lieben.
Und das trifft auf jeden zu! Ganz egal, welche Geschichte, welches Päckchen wir mitbringen, es geht schlussendlich darum, dass wir uns mit all dem lieben. Wir müssen uns mit niemandem vergleichen, uns an niemandem messen. Vielmehr sollten wir zu der Selbstliebe zurückkehren, mit der wir auf die Welt gekommen sind und die wir im Laufe der Jahre mitunter verloren haben – warum auch immer. Lasst uns diese Liebe zu uns wieder finden. Lasst uns tanzen und vor Freude über uns selbst strahlen. Lasst uns so sein, wie wir sind – mit all dem, was an uns dran ist, was uns ausmacht, was uns zu dem Menschen macht, der wir wahrhaftig sind. Lasst uns ins Leben eintauchen.
PS: Dies war bislang glaub der Beitrag, an dem ich am längsten gearbeitet habe. Nicht weil es mir an Worten fehlen würde, sondern im Gegenteil, weil ich die richtigen finden musste, um zumindest ansatzweise über „meine“ Magersucht zu schreiben. Also danke, wenn Du bis hierher gelesen hast. Falls Du mehr über dieses Thema lesen möchtest, lass es mich wissen – als Kommentar, per Mail (prinzessin@glueckliche-erbsen.com), via Facebook und Co. oder auf welchem Weg auch immer.
11 Kommentare
Liebe Erbsenprinzessin. Ja, ich habe bis zum Ende gelesen und ja, ich danke dir für deine Ehrlichkeit. Es geht um das Wiederfinden der Freundschaft zum eigenen Ich. Freundsein bedeutet auch Akzeptanz, Toleranz und hie und da ein wenig Abstand. Das Ich zu akzeptieren ist eine der schwierigen Aufgaben und jeden Tag ein neuer Versuch. Viel Lachen und Lebensfreude wünsche ich Dir und uns Gleichfühlenden. Sabine
DANKE, liebe Sabine!
Du hast so recht mit dem, was Du schreibst. Diese Freundschaft mit sich selbst, mit dem Wesen, das in uns steckt, ist so wichtig. Und ich freu mich für und mit jedem, der sich selbst der beste Freund ist – und ja, da gehört auch dazu, dass man hin und wieder mit sich streitet, dass innerliche Türen knallen, dass man auch unangenehme Dinge anspricht und angeht. Denn nur dann können wir uns mit uns selbst wieder versöhnen und Frieden schließen mit unserer Geschichte und sie neu schreiben, indem wir uns selbst akzeptieren und lieben.
Auf die Freundschaft in uns und mit uns!
Alles Liebe für Dich!
Liebe Erbsenprinzessin, danke für deinen Bericht! Ich hab mich darin sehr oft wiedeegefunden.
Deine Gedanken und Gefühle und diese verzerrte Selbstwahrnehmung kenne ich nur zu gut. Da ist man eh schon nur mehr ein Gerippe aber wenn jemand fragen würde, ob man gern 5 kg mehr oder weniger hätte, dann leuchten die Augen bei ‚5 kg‘ weniger weil man sich alleine bei diesem Gedanken noch schöner fühlt.
Ich habe generell in den letzten Monaten nach wohl über 40 Jahren gelernt, dass mich 5 kg mehr nicht fett machen und, dass ich zu dünn nicht schön bin aber die Gefahr im Kopf ist noch nicht verschwunden wobei ich nicht die typische, sofort ersichtliche Magersucht habe.
Aber trotzdem ist es Magersucht.
Ich wünsche dir alles Gute und, dass dein positiver Weg anhält und, dass du das Essen allzeit genießen kannst und es dir gut geht.
Und ja: schreib dein Buch! Es wird dir gut tun!
Alles Liebe und Gute für dich, Susanne
OH!!!!!! Liebe Susanne!
So wie Du Dich in meinen Worten wiedergefunden hast, so hab ich mich in Deinen gefunden. „Klassisch magersüchtig“ – wenn es so etwas überhaupt gibt!!!! – war ich wohl auch nur in den ersten Jahren. Danach aber ging der Kampf mit mir selbst weiter und zwar verborgener als je zuvor. Ich wusste immer, dass das, was ich da tue, nicht gut ist. Doch der Teufel drehte mich weiter im Kreis.
Irgendwann aber hat mir mein Körper so klar und deutlich gezeigt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und ich hab das erste Mal auf ihn gehört – mit derselben Sturheit und Stärke, wie ich sie schon in den 20 Jahren zuvor an den Tag gelegt habe. Diese Stärke nämlich ist gut und böse zugleich – für uns…
Ich bin mir sicher, dass Du Dich auch in diesen Worten wiederfindest. Genauso wie ich nachvollziehen kann, dass jedes Kilo mehr eine Herausforderung ist – und zwar es erst einmal hinauf zu bekommen und es dann auch zu halten!
Was ich heute aber mit absoluter Sicherheit weiß: Wir werden mit jedem Kilo schöner – vor allem dann, wenn wir es akzeptieren können.
DANKE noch mal und ja, ich werde dieses Buch schreiben – für mich und für uns.
Alles Liebe für DICH!
Ein sehr berührender Text. Alles Gute und Liebe auf deinem weiteren Weg! Sei du selbst – das ist das Beste für dich 😘 … Glg aus der Nachbarschaft
Danke, liebe Ironwieble 😉
Und ja, so wie wir sind, sind wir am besten – und wenn wir uns dann auch noch selbst lieben, können wir alles sein und alles erreichen! Aber wem sag ich das!?!?
Alles Liebe auch für Dich, Frau Nachbarin!!! :*
Damals in der Schule. Irgendwo auf dem Flur oder Hof ein trockenes Brot runterwürgen. Zu trinken gabs nichts. Morgens Marmeladenbrot, mittags wärmte ein Essen vor sich hin, meist reichte zeitlich nicht heimzukommen, abends Vesper. Ich konnte das Brot nicht mehr sehen. Mit 17 oder so. Abends kam ich fertig heim, konnte nichts mehr essen. Ich hatte auch keine Kraft mehr. Die Prüfung schaffte ich noch, aber ich spürte mich nicht mehr. Das Gewicht ging hoch, von 68 / 64 kg auf 72. Dann ging es weiter, schulische Ausbildung. Berufsleben. Ich zog in eine WG. Die Supermärkte machten um 18 Uhr zu. Samstags kaufte ich ein Brot, das nahm ich die Woche über mit. Abends kam ich nach Hause, da war keine Zeit zu kochen , auch nichts da. Am Wochenende wurde gefressen: je ein Pfund Kartoffeln und Gemüse, Stück Fleisch und Fisch. Mir bekam vieles nicht, vom Kreislauf her. Fühlte mich kraftlos. Ich hatte auch eine gute Figur, bei 1,71 Größe 72 kg! Größe 42. Das hielt ich lange. Irgendwann ging es weiter hoch. Aber die Zeiten, wo ich regelmäßiger und mehr aß, ging es runter. Die waren leider nur kurz. Ich hatte mich iinnerlich deshalb gewehrt gegen das Klischee, ich äße zu viel und zu fett. Ein Ernährungstagebuch bestätigte das. Doch das kann nicht sein, hörte ich. Jeder der Dick ist, frißt! (sry) Ich mogle doch! – Wollte dir erzählen, weil du sicher auch mit Klischees zu kämpfen hattest. Ich finde, das macht Mut. Wir gehen die üblichen Wege, die ausgetretene Wege, vllt. sollten wir einen neuen Weg durch den Urwald schlagen. – Ja, du bekommst Anerkennung. Es macht Spaß, Kleidung zu kaufen. Wer dick ist, ab Kleidergröße 44, du findest kaum was schönes. Jack wolfskin hatte einen Laden eröffnet. Alles kleine Größen. „Dickerchen“ wandern nicht? Fitneßkleidung, sexy und hautzeigend, ab 44 nur noch Säcke aus Baumwolle. – Was du sagst, mir schlägt alles auf den Magen. Ich hab keinen Hunger. Das Aha-Erlebnis hatte ich kürzlich. Schwüler Tag. Der Kreislauf spann. Der Tipp: iß was vor dem Spazierengehen. Probiert, mit ging es gut! Im Herbst will ich in die Berge. Beim Wandern, ich habe keinen Hunger, gehts mir nicht gut. Nun der Tipp: jede Stunde etwas essen. Stimmt, ich esse viel zu lange nichts!
Die Sache mit der Selbstliebe. Auf uns Frauen prasselt es ein. Mädchen werden oft nach ihrem Äußeren beurteilt, Jungs was sie tun. Mädchen sind lieb und brav, Jungs toben herum. Ich lese in der Zeitung von einem Treffen von Politiker. Die Frauen was sie trugen, die Männer was sie taten. usw.
Ich hatte lange gedacht, das ist mein Kreislauf, weil ich so unfit bin. Stimmt nicht. Im Juni habe ich ein Online-Fitneßkurs teilgenommen. Der Puls, der optimale Trainingspuls. Trainiere ich im unteren Bereich, verbrenne ich mehr Fette, darüber Kohlenhydrate. Die ganzen Fitnessprogramme liegen im oberen Bereich. Teilweise schon darüber. Man solle möglichst nüchtern morgens trainieren. Über Nacht sind die Kohlenhydratspeicher leer. Kein Wunder will der Puls nicht hoch! Mir war schon beim Aufstehen schon schwummrig , konnte kaum was essen. Besonders wenn ich abends zu wenig gegessen hatte. Weil ich der ganze Tag über zu wenig aß und mir nicht gutging. – Deshalb macht mich das so wütend das Klischee. Ich würde gerne mehr essen, doch es müßte mehr Möglichkeiten geben oder ich vergess es einfach. Im Schlaraffenland zu leben, da wär ein Traum! – Vom Körperbau, ich bin mittelgroß, 171, breite Schultern und Hüften, heute musst schmal sein, wie ist anatomisch möglich? Große Hände und Füße, nicht zierlich und fein.
Soll ich dir etwas Mut machen? Ab 10 fing bei mir an, daß ich ein Brille brauchte. Sie wurden laufend schlechter und schlechter. Nun ist so, seit ich mich anfing zu lieben, veränderte es nicht mehr so stark. Seit 10 bis 15 Jahren blieb die Stärke fast gleich und veränderte sich kaum. Ich habe die Schublade voller Brillen, die ich tragen kann. Ich lernte, daß ich mich auf meinen Körper verlassen kann , er ist stärker und zäher als ich dachte, nimmt vieles nicht krumm. Braucht jedoch etwas liebevolle Behandlung. Naja, da arbeiten wir noch dran. Schönen Sonntag!
Das ist sehr berührend. Wir Frauen neigen dazu, über unseres Äußeren definiert zu werden. Ich hab eine Kiste von alte Fotos. Aus den 30-iger Jahren. Die kenn die Personen nicht, doch eine könnt meine Oma sein. Sie hatte eine gute Menschenkenntnis und war eine starke Frau. Wie heute die jungen Frauen sich positionieren, das muss ich dir nicht sagen. Das Frauenbild hat sich sehr zum negativen verändert. Wir lernen früh, uns zu lieben ist schlecht. Wir müssen gefallen. Wir dürfen keine Meinung oder Willen haben. Schwach und hilflos sein. Können wir das Rad nicht 50 Jahre zurückdrehen? Da war die Frau noch als Frau wertgeschätzt!
WOW und DANKE, liebe Sylvia, für Deine Offenheit und dass Du das hier mit uns allen geteilt hast. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man das tut.
Das mit den Klischees ist wirklich so eine Sache. Allein: Wenn wir jung sind, haben wir oft zu wenig Selbstwert und leider oft auch das Urwissen, das in uns allen steckt, verlernt. An was das liegt, ist bei vielen unterschiedlich – Erziehung, Freunde, Umfeld…. Tja und da haben diese Klischees dann leichtes Spiel. Obwohl ich mir nicht glaube, dass wir nur aufgrund von Klischees so essen, wie wir essen (oder eine andere Sucht unser Leben beherrschen lassen….). Ich wollte nicht sein und zugleich gesehen werden – das weiß ich heute.
Und heute weiß ich auch, dass es gut ist, wie es war. Dass es mich (auch) zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin – mit all meinen Erfahrungen, Ecken und Kanten. Klar: Gesund war es nicht und wenn ich könnte, würde ich es nicht mehr so machen … oder doch?! Das lässt sich jetzt nicht mehr sagen. Und muss auch nicht sein.
Heute weiß ich, dass ich nicht nur genüge, so wie ich bin, sondern dass es gut ist, wie ich bin. Ich bin es mir selbst wieder wert. Habe das Urwissen wieder entdeckt und entdecke täglich mehr davon. Für all das bin ich dankbar.
Auf uns, liebe Sylvia! Denn, ja, wir sind toll!