Seit einer Woche sind wir also wieder zurück aus Kuba – zumindest physisch. Obwohl selbst das übertrieben ist, denn der Jet-Lag hat mich und meine Verdauung (!) immer noch im Griff. Und zum Drüberstreuen haben mir die Gefrierschrank-Temperaturen, auf die das Flugzeug bei der Heimreise heruntergekühlt war, eine heftige Bronchitis beschert. „Urlaubs-Nachwehen“ im Überfluss? Nein, ich klage nicht. Denn in den fast drei Wochen, die wir auf dieser wunderschönen Insel waren, habe ich mich erholt wie schon lange nicht mehr. Lag’s daran, das wir einfach nur in jeden einzelnen Tag hineingelebt und so wenig wie nur möglich geplant haben? Lag’s an den Kubanern, die uns mit ihrer Freundlichkeit und, ja, auch mit ihrer „Langsamkeit“ vom ersten Tag an vereinnahmt haben? So oder so, es ist kein Wunder, dass ich gedanklich noch weniger angekommen bin als körperlich. Und um ehrlich zu sein, möchte ich mir diesen Zustand auch so lange wie möglich beibehalten.
Umdenken. Dabei geht’s mir weniger darum, ein „Urlaubsfeeling“ aufrecht zu halten. Vielmehr möchte ich meine Einstellung zu verschiedenen Dingen des alltäglichen Lebens ändern – bzw. jenes Denken, das sich bereits auf Kuba in mir breitgemacht hat, beibehalten.
Was ich damit meine? Nun, ich bin ja schon lange davon überzeugt, dass wir hier in Österreich, in Europa bzw. im sogenannten „Westen“ ein Leben im Überfluss führen. Bestes Beispiel: Supermärkte. Ja, die gibt es auch auf Kuba – wenige, aber es gibt sie. In Städten bzw. Regionen, in denen es Touristen gibt, sind diese sogar mehr oder weniger gut bestückt – obwohl sich das, was es dort zu kaufen gibt, nur die wenigsten Kubaner leisten können. Doch das ist eine andere Geschichte…
In den meisten kleineren „supermercados“ bzw. Geschäften herrscht jedoch nahezu gähnende Leere – bis auf Eier, Reis, Bohnen und Rum. Letzteren gibt’s so gut wie immer und überall. Die Kubaner scheint das nicht zu stören. Sie gehen trotzdem in den Laden. Die Regale interessieren sie dabei allerdings weniger. Sie spazieren geradewegs zur Kassa. Da wir kein Spanisch können, wissen wir nicht, was genau da oft lang und breit diskutiert wurde. Aber so viel war klar: Das, was man tatsächlich zum Leben braucht, findet man nicht in den Regalen der Supermärkte. Oder sagen wir so: Wir haben es dort nicht gefunden. Die Kubaner scheinen nämlich sehr wohl zu wissen, wo und wie sie das bekommen, was sie benötigen. Und wenn nicht, finden sie eine andere Lösung, lachen dabei und sind zufrieden.
Dankbar und zufrieden… Und dann kommt man nach Hause, schaut in den leeren Kühlschrank und macht sich auf in den hell erleuchteten, richtiggehend bunten und vor allem bestens bestückten Supermarkt. Und spätestens dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Wir führen nicht nur ein Leben im Überfluss, sondern im absolut überwältigenden Überfluss.
Ich will nicht behaupten, dass die Kubaner dankbar dafür sind, in Geschäften mit leeren Regalen einkaufen „dürfen“. Oder um es mit weniger sarkastischen Worten zu sagen: Die Kubaner sind nicht glücklich(er), weil sie aufgrund äußerer Umstände gelernt haben, aus dem wenigen, was ihnen das Leben bietet, viel zu machen. Aber sie sind zufriedener mit dem, was sie haben. Wir hingegen wollen immer mehr und regen uns schon auf, wenn es mal keine Bio-Zitronen gibt, das Internet für eine halbe Stunde aussetzt oder die Kaffeemaschine „zickt“, weil sie entkalkt werden muss.
Das alles soll kein Plädoyer dafür sein, dass wir uns ab sofort im Verzicht üben sollen – das bringt all jenen, die weniger haben, auch nichts. Genauso wenig möchte ich es schlecht reden, dass wir eine so große Auswahl an Lebensmitteln und anderen Produkten haben, dass wir einen hohen Wohn- und Lebensstandard haben und es uns leisten können, auf Urlaub zu fahren.
Es ist nichts „Verwerfliches“ daran, dass es uns (so) gut geht. Ich frag mich nur: Sind wir uns dessen eigentlich (noch) bewusst oder haben wir bei all dem Überfluss verlernt, dankbar und zufrieden zu sein?
4 Kommentare
Ein toller Beitrag. Dieses Thema mit dem „schlechten Gewissen“ , weil ich in diesem reichen Land lebe und so viele andere nicht, treibt mich immer wieder um.
Ich versuche es bewusst zu schätzen, was wir alles haben und dankbar zu sein.
Auf der anderen Seite wieder, geht es mir dann auch oft so, dass ich ungeduldig werde, weil es sein könnte, das morgen mein Müsli ausgeht und ich dann extra mit dem Auto in den Supermarkt fahre um meine Zutaten zu kaufen. Da ist dann das schlechte Gewissen plötzlich weg 😉
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag.
DANKE Dir, liebe Angelika, für Deine Wort dazu!
Ich kann das so gut nachvollziehen, was Du schreibst! Das mit den Bio-Zitronen war nämlich direkt beim ersten Einkauf nach unserer Heimkehr der Fall… einziger Unterschied: Ich war mir recht schnell darüber bewusst, dass ich wieder in dieses „alte Schema“ gerutscht bin. Ich denke, man (re-)agiert oft seiner Umgebung entsprechend. Und: Das ist halt einfach so. Doch ich denke, wenn wir uns darüber klar sind, wenn wir dann so eine Art STOP-Schild in uns aufpoppen sehen und unser Verhalten und unser Denken entsprechend ändern – auch wenn es nur darin besteht, dass wir über unseren „Ärger“ lächeln -, dann sind wir auf dem richtigen Weg, dankbar zu sein.
Danke und auf dass wir jeden Tag zufrieden(er) sein dürfen!
Hallo Iane
Du bringst es auf den Punkt. In so manchen Ländern hatte ich die selben Gedanken. Nichts ist selbstverständlich und wir alle sollten über so viele Dinge dankbarer sein. Liebe Grüße Gabi
Gabi, DU sprichst mir aus dem Herzen und von der Seele. Und dafür bin ich Dir dankbar!
Wir sind dieses gute Leben, das wir haben und führen dürfen, so sehr gewohnt, dass wir wegfahren müssen, um es (wieder) zu sehen. Und vor allem um zu wissen, dass es eben NICHT selbstverständlich ist! Liebe Grüße an Dich zurück! Iane