„Yoga ist doch kein Sport“, hör ich immer wieder. Bis vor einiger Zeit bin ich dann sofort in die Verteidigungshaltung gewechselt bzw. hat mich so ein Satz richtiggehend in Virabhadrasana versetzt – so heißt die Stellung des Kriegers im Yoga. Ich war also bereit zum Gegenangriff. Nicht dass ich behauptet hätte, Yoga sei sehr wohl Sport. Stattdessen hab ich Dinge gesagt wie: „Nein, aber ich war körperlich noch nie so gut beisammen wie jetzt.“ Oder: „Nein, aber ich habe meinen Körper früher nie so gespürt wie das der Fall ist, seitdem ich Yoga praktiziere.“ Und dabei war Letzteres oft mit Schmerzen verbunden, denn ich habe schon einige Verletzungen davongetragen. Wie das? Nicht weil es eben doch Sport ist, sondern weil ich zu wenig achtsam auf der Matte gestanden bin, zu wenig bei mir war und zu viel von mir verlangt habe.
Was also antworte ich heute?
Stimmt. Yoga ist kein Sport. Yoga ist Yoga – und noch viel mehr. Es ist eine Lebensphilosophie, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringen kann. Das klingt abgehoben. Und es hat durchaus gedauert, bis ich kapiert habe, dass es nicht nur diese 45 bis 60 Minuten sind, die ich täglich auf der Matte verbringe. Klar ist es die Praxis an sich, die ich Yoga nenne. Doch ich sag auch oft: Yoga ist meine Religion. Und damit meine ich, dass ich die Achtsamkeit, die ich auf der Matte für meinen Körper, meinen Geist und meine Seele aufbringe, mittlerweile im Alltag genauso spüre.
Yoga hat mich außerdem gelehrt, meinem Atem zu vertrauen und mehr noch, Kraft und Ruhe aus ihm zu schöpfen. Und auch das war mir definitiv nicht von Beginn an klar. Anfangs konnte ich beispielsweise nicht nachvollziehen, was mir meine Yogalehrerin etwa mit „Atme in die Körperstelle, die Du dehnen möchtest“ sagen wollte. Wie bitte sollte das gehen? Heute weiß ich, dass es funktioniert – und zwar nicht nur während der Praxis, sondern auch bei alltäglichen Dingen, ob beim Einkaufen oder Spaziergehen, ob in stressigen Situationen oder inmitten von ganz vielen quatschenden Menschen.
Dank Yoga hat sich auch meine Haltung wesentlich verbessert. Und wieder steckt mehr als das Körperliche dahinter, mehr als der gerade Rücken oder die zurückgezogenen Schultern. Es geht um die innere Haltung, die Standfestigkeit und das Vertrauen in mich, meine Fähigkeiten, mein Tun und mein Sein. Bei all dem hilft mir meine eigene Mitte. Und erneut geht es nicht nur um die körperliche Mitte oder darum die Balance bei einer Asana (wie die über mehrere Atemzüge gehaltenen Körperstellungen im Yoga genannt werden) zu halten. Es geht darum, dass ich bei mir selbst angekommen bin. Und auch, dass ich darauf vertrauen kann, dass sich mein ganzes Sein mit dem Universum in Einklang befindet – oder zumindest, dass die beiden einen gemeinsamen Weg finden werden 😉
Und trotzdem wird’s bei mir sportlich, wenn ich auf die Matte steige, denn ich praktiziere Hatha- bzw. Ashtanga-Yoga. Das sind körperorientierte, dynamische Praktiken, die Kraft, Ausdauer und Energie fördern. Doch Muskeln alleine bringen mich weder in den herabschauenden Hund noch in den Kopfstand. Vielleicht tut man sich leichter? Ich weiß es nicht, denn ich bin ein, sagen wir, dünnes Muskelpaket.
Aber: Um was geht’s eigentlich? Ich meine: Ist es überhaupt wichtig, ob Yoga Sport ist oder nur ein bisschen Om und so? Sollten wir uns nicht besser fragen: Wo hört der Sport auf und wo fängt der Spaß an? Oder im Hinblick auf Yoga: Wo hört die (mehr oder weniger sportliche) Praxis auf und wo fangen Ruhe, Achtsamkeit und Selbstliebe an? Wo hört der Fitness-Hype auf und wo fangen Selbstwahrnehmung und der Respekt im Umgang mit dem eigenen Körper an? Wo hört der Ehrgeiz auf und wo fange ich an, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen?
Namaste
PS: …und vielen Dank meinem Erbsenprinz für die wunderschönen Bilder!!!! Du bist ein wahrer Yogi!
5 Kommentare
Liebe Liane,
Ja, Yoga ist mehr als nur ein Sport. Schön, dass es Yogis wie dich gibt, die wieder zurück zu den Wurzeln des Ganzen gehen. Die Praxis in den Alltag bringen. Alles miteinander verbinden. Weiterhin viel Om auf deinem Weg.
… und ich find’s schön, dass ich durch diesen Beitrag auch auf Dich gestoßen und TaoPower Yoga gestoßen bin.
Da werde ich noch ein bisschen tiefer eintauchen – klingt sehr spannend. Alles Liebe und auch Dir ganz viel Om 🙂
PS: Eigentlich ja Iane – sozusagen die „Quintessenz“ meines Namens Christiane. Aber „Liane“ find ich super … hab mich grad wie Jane auf eine Liane gefühlt 😀
Yoga ist sehr wohl ein Sport. Ich vergleiche das gerne mit Friends with Benefits… Denn Yoga schafft durch seine Figuren nicht nur ein besseres Gleichgewicht, flexiblere Glieder und Muskelmasse an den richtigen Stellen, sondern auch ein besseres Selbstgefühl. Ich bin leider nur sehr entsetzt, wer zur Zeit aller Yoga unterrichtet. Hier sind viele Scharlatane unterwegs, die keine Ahnung haben, aber Kurse geben. Wie kann sowas sein? Wozu machen meine Freundinnen in Europa ihre Ausbildung, verfeinern das in Indien um dann potentielle Kunden an Billigstanbieterinnen ohne Qualifikation zu verlieren. DAS wär mal ein Thema, dem ich gerne auf deinem Blog folgen würde.
Du sprichst mir aus der Seele und dem Herzen, liebe Marion!
Ich selbst bin ja keine Yoga-Lehrerin und kann mir daher nicht erlauben, hier ein Urteil zu fällen… Und doch hab ich ein ähnliches Gefühl wie Du. UND gerade letzthin auch mit einem ganz wunderbaren Yogalehrer über genau diese (sagen wir mal nicht Proble-, sondern) Thematik gesprochen.
DANKE Dir für Deinen Beitrag, vielleicht werde ich ja mal über dieses Thema schreiben!
Namaste!
Das wär richtig toll! Freue mich, davon zu lesen!!!